Der „Boss“ wird 60

Bild: Danny ClinchBruce Springsteen gilt mit über 120 Millionen verkauften Alben als kommerziell erfolgreichster Rockmusiker aller Zeiten. Noch heute füllt er ganze Stadien. Wie kaum ein anderer versteht er es, die Sorgen und Nöte der einfachen Leute in Rocksongs zu packen. Heute feiert er seinen 60. Geburtstag.

Für seine Fans ist er schlicht der „Boss“ – und wenn der Chef ruft, dann kommen sie massenhaft zusammen. Als Bruce Springsteen diesen Sommer für zwei Konzerte in Deutschland halt machte, füllte er problemlos das Münchener Olympiastadion und am Tag darauf die Frankfurter Commerzbank-Arena.

Es folgten geradezu überschwängliche Konzertkritiken in Tageszeitungen und Musikmagazinen. Bei beiden Auftritten habe es sich nicht einfach um Konzerte gehandelt, sondern um „Rock-Offenbarungen“. Auch im 30. Jahr seiner Karriere steht Springsteen unangefochten an der Spitze des Rock-Olymps.

Armut und Einsamkeit prägen die Jugend

Bruce Springsteen 1975 Bild: Sony BMGDer junge Bruce wuchs gemeinsam mit seinen beiden Schwestern im US-Bundesstaat New Jersey in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater Douglas verdingte sich als Gelegenheitsarbeiter, seine Mutter Adele jobbte als Sekretärin. Dass ihr am 23. September 1949 geborener Sohn später einmal in einem Atemzug mit Johnny Cash oder Bob Dylan genannt werden würde, war für seine Eltern unvorstellbar.

Angeblich prägten Armut und Einsamkeit Springsteens Jugend, wovon heute noch viele seiner Lieder zeugen. Seine Texte beleuchten die Kehrseite des amerikanischen Traumes, indem sie die Sorgen und Nöte der einfachen Leute schildern. Dafür ist sein größter Hit „Born in the U.S.A.“ (Geboren in den USA) das beste Beispiel. Zwar deuten hierzulande viele seiner Fans das 1984 erschienene Lied fälschlicherweise als patriotische Jubelhymne auf die Vereinigten Staaten. Tatsächlich geht es darin allerdings um das harte Schicksal eines enttäuschten und heimatlos gewordenen Vietnam-Veteranen.

Verhaltener Karrierebeginn

Der Einberufung zur Armee und damit dem Einsatz im Vietnamkrieg entging Springsteen durch eine List: Er täuschte vor, schwul zu sein. Dies gab ihm die Möglichkeit, sich ganz auf seine Karriere als Musiker zu konzentrieren. Mit verschiedenen Bands versuchte er zunächst Ende der 1960er, Anfang der 70er Jahre sein Glück und zog 1971 nach New York.

Ein Jahr später unterschrieb er einen Plattenvertrag bei Columbia Records und nahm sein Debut-Album auf. Den Vertrag bekam er, weil die Plattenfirma in ihm einen neuen Bob Dylan sah. Doch das 1973 erschienene Album „Greetings from Asbury Park, New Jersey“ floppte ebenso wie die ein Jahr später veröffentlichte Platte „The Wild, the Innocent & the E-Street-Shuffle“. Dennoch sollte 1974 das entscheidende Jahr für Springsteens Karriere werden.

Springsteen, die Zukunft des Rock’n’Roll

Bild: Sony BMGAuf „The Wild, the Innocent & the E-Street-Shuffle“ spielte die erste Formation der späteren E-Street-Band, die ihn bis heute – in veränderter Besetzung – begleitet. Außerdem traf er auf Jon Landau, der damals zu den einflussreichsten Musikkritikern gehörte.

Nachdem Landau ein Konzert Springsteens besucht hatte, schrieb er: „Ich sah die Zukunft des Rock’n’Roll. Ihr Name ist Bruce Springsteen.“ Columbia Records griff dieses Zitat dankbar auf und nutzte es für seine Werbekampagne für das dritte, im Jahr 1975 erscheinende Springsteen-Album „Born to Run“, das bis heute als eines seiner besten Veröffentlichungen gilt. Mit ihm gelang der Durchbruch.

Sozialkritische und lebensnahe Texte

Mit seinen beiden nächsten Platten „Darkness of the Edge of Town“ (1978) und „The River“ (1980) mehrte Springsteen seinen Ruhm. 1982 lernten seine Fans eine neue Seite des Boss‘ kennen: Nur mit Akustikgitarre und Mundharmonika nahm Springsteen in seinem Schlafzimmer „Nebraska“ auf.

Dabei handelt es sich um eine Sammlung von Country-Blues-Liedern, deren Texte sozialkritisch und lebensnah sind und deren Stimmung zwischen kontrollierter Wut, Verzweifelung und Fatalismus schwanken. Mit seinen beiden Alben „The Ghost of Tom Joad“ (1995) und „Devils and Dust“ (2005) hat er diesen Stil Jahre später wieder aufgenommen.

Ein Album der Superlative

Bild: Sony BMGNach „Nebraska“ erschien „Born in the USA“ – ein Album der Superlative. Bis heute verkaufte es sich mehr als 21 Millionen Mal, und alle sieben Singleauskopplungen schafften Top-Ten-Platzierungen. Das Album ist eine düstere Bestandaufnahme über den Zustand der Vereinigten Staaten und ihrer Gesellschaft Anfang der 80er Jahre.

Mit ihm festigte Springsteen sein Image des harten Arbeiters aus dem Volk, der gleichermaßen Rebell wie Patriot ist und dessen Musik nach ehrlichem Schweiß riecht. Damit entsprach er ziemlich genau dem Bild des idealen Amerikaners, wie es die politischen Rechte gerne verwendete. Doch alle Versuche der Republikaner, Springsteen für ihre Ziele einzuspannen, blockte dieser ab.

Oscar für „Streets of Philadelphia“

Zu Beginn der 90er Jahre ließ es Springsteen dann etwas ruhiger angehen. 1991 löste er die E-Street-Band auf. Die Kritik lobte zwar seine beiden Alben „Human Touch“ und „Lucky Town“, doch die Verkaufszahlen blieben hinter den Erwartungen zurück.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ spottete damals, Springsteen habe sich ob seines gesetzteren Rockstils in eine „Harley-Davidson mit Kat“ gewandelt. Dennoch erhielt der Boss 1994 für seinen Soundtrack zu „Philadelphia“ den Oscar für die beste Filmmusik („Streets of Philadelphia“) und gewann 1995 vier Grammys.

Umjubeltes Comeback

Bild: Sony BMGIm Jahr 1999 wurde Springsteen in die Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenommen und feierte kurz darauf ein sensationelles Comeback. Auf seiner 15-monatigen Welttournee ließ sich Springsteen in ausverkauften Stadien feiern. Dann kam der 11. September 2001. Der Legende nach saß Springsteen in seinem Wagen in New Jersey und schaute auf die brennenden Türme des World Trade Center, als ihm ein Fan zurief: „Boss, wir brauchen Dich.“

In nur acht Wochen nahm Springsteen – erstmals seit 1984 wieder mit der „E-Street-Band“ – die 15 Songs für das 2002 veröffentlichte Album „Rising“ (Auferstehung) auf, das ein Jahr später mit drei Grammys ausgezeichnet wurde. Die Platte fand reißenden Absatz – auch, weil sie den Opfern und Hinterbliebenen des 11. September ein Denkmal setzte. In den folgenden Jahren gehörte Springsteen zu der wachsenden Schar US-amerikanischer Musiker, die die Politik George W. Bushs kritisierten und 2004 und 2008 zur Wahl der demokratischen Kandidaten John Kerry – der Springsteens Song „No Surrender“ (Keine Kapitulation) als offiziellen Wahlkampfsong verwendete – und Barack Obama aufriefen.

114 Millionen Dollar für einen neuen Plattenvertrag

Das Springsteen nichts an Beliebtheit eingebüßt hat, bewies er in diesem Jahr mit seinem 16. offiziellen Album. „Working on a Dream“ schaffte es in Deutschland, Österreich, der Schweiz, in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten auf Platz 1 der Charts.

Sein Spitzname „The Boss“ entstand übrigens in den 70er Jahren, weil er seinen Bandmitglieder nach Auftritten die Gage direkt bar auszahlte. Das zumindest dürfte sich inzwischen geändert haben. Für seinen neuen Plattenvertrag soll er angeblich 114 Millionen US-Dollar bekommen haben. Das wäre einer der teuersten Plattenverträge aller Zeiten – nicht schlecht für einen, dessen erste Gitarre angeblich nur 18 Dollar gekostet hat.

Erschienen am 23.09.2009 auf ARD.de

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